Dienstag, 30. August 2011

Tanz um den heißen Brei - Nummer Drei @ Klubelektrik -Kavalier I Scharnhorst Magdeburg (30.04.09)

Tanz um den heißen Brei - Nummer Drei

Seit Jahrhunderten ist es in Europa Brauch, mit dem Tanz in den Mai den Beginn der warmen Jahreszeit zu feiern. Jede Region aber auch Szene hat dabei ihre Eigenheiten und vermag das Fest mit allerlei Brimborium auszuschmücken. Hexen versammeln sich zu mystischen Reigen, Trachtler tanzen gemeinschaftlich um einen Baum, Verliebte springen jauchzend über die Reste des Maifeuers, andere spielen lieber Katz und Maus mit den Ordnungsbehörden und zu guter letzt gibt es noch die Protagonisten der Arbeiterbewegungen, die ihre Kampfreden für die bevorstehenden Demonstrationen einstudieren. Man kann in die Nacht und den darauf folgenden Tag viel hinein interpretieren oder einfach nur Spaß haben. Der Klub Elektrik entschloss sich für die Verbreitung allgemeiner Freude mit der Eröffnung der Openair-Saison, erhob den heißen Brei in den Stand der Maireliquien und zeigte, dass man am Kampftag der Arbeiterschaft auch ohne große Reden ein Zeichen setzten kann.


Auserkorener Schauplatz für all dies war der alte Kavalier I Scharnhorst, eines der imposanten Überbleibsel der Magdeburger Festungsgeschichte. Die im südlichen Stadtzentrum gelegene und in einem Erdwall kasemattierte ehemalige Artilleriekaserne wurde in den letzten Jahren regelmäßig als Kulisse für Openair-Veranstaltungen aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Die Bedingungen dafür waren auch nahezu perfekt. Zwischen Elbe und der Brache des alten Elbebahnhofs hinter Bäumen versteckt, weit genug von sich gestört fühlenden Anwohnern entfernt und obendrein sehr zentral gelegen. Warum der kleine Abgesang im Präteritum? Das Kleinod ist bedroht. Magdeburg ist im IBA-Fieber. Unter dem Motto „Leben an und mit der Elbe“ werden im Zuge der Internationalen Bauausstellung 2010 schon seit geraumer Zeit die Industriebrachen der Innenstadt renaturiert. Renaturierung bedeutete im Falle des Elbebahnhofareals, die Büsche und Bäume samt der darunter gelegenen alten Gleise herauszureißen, aus Asphalt eine Anbindungsstraße zu gießen, das Gelände in Parzellen aufzuteilen und diese für den Bau von Stadtvillen freizugeben. Mittlerweile werden die ersten Fundamente gegossen. Bald lässt sich Stein um Stein beobachten, wie das Ende der Openairs im angrenzenden Kavalier naht. Es ist anzunehmen, dass mit dem Einzug der ersten Bewohner die Ruhe weniger höher bewertet werden wird als Freude vieler an ein paar Sommerwochenenden.

Ich gebe zu, das zuvor geschriebene ist ein eigenartiger Einstieg für einen Partybericht. Diese Gedanken kamen mir allerdings während der Veranstaltung in den Sinn, als ich auf dem Gelände einen älteren Herrn bei der Lautstärkepegelmessung beobachtete. Höchst brisantes Thema, aber der 1. Mai bietet auch Raum für Politisches. Diesen nutzte ebenso der Klub Elektrik, womit wir wieder mitten im Geschehen wären. Neben der dezenten Illumination der alten Festungsmauern und Barbereiche stachen des Nachts vor allem die vielen roten Mainelken rund um die Tanzfläche und die Bühne hervor. Tagsüber gesellten sich noch zwei Plakate mit den Aufschriften „Juten Morgen Tach der Arbeit!“ und „Wer arbeitet, kann auch feiern!“ hinzu, dazu aber später mehr. Zunächst etwas zur Nachtmusik.

Das Warmup vollzog Steffen Felscher mit einem belebenden Mix aus houseigen und leicht verspielten technoiden Klangmustern. Seine Musikauswahl war gut an die noch frühe Uhrzeit und die gerade erst erscheinenden Gäste, die sich nach Ankunft an den Bars und in den Chilloutzonen auf den Abend einstimmten, angepasst. Gediegenes Sommer-Openair-Flair. Kurz vor Zwölf packte dann die Ersten das Tanzfieber und bis zum ersten Wechsel gegen Eins, war die Crowd auf Betriebstemperatur. In der darauf folgenden Stunde heizte The Mony mit düster treibendem Minimal kräftig nach, entlockte den Tanzenden so manches Jauchzen und leitete schließlich applaudierend zu Maxime Dangles über. Der junge Franzose hat sich unter anderem mit seinen Releases auf Kompakt, Scandium und K2 einen Namen gemacht. Seit seinem 15. Lebensjahr bastelt er mit dem PC Musik und so überraschte es kaum, dass er die Magdeburger mit seinem wohl strukturierten Live-Set überaus begeistern konnte. Nach etwas über einer Stunde war sein Zauber leider schon vorbei und es folgte der letzte im Bunde vor der Unterbrechung der Maisause. An den Reaktionen im Publikum konnte man sehr gut erkennen, dass viele auf Red Robins Auftritt gewartet haben. Die vorherigen Magdeburger Gastspiele des Bar 25 Residents hatten sich wohl positiv ins Gedächtnis der Raver gebrannt. Wie ihm das gelang, zeigte er in den darauf folgenden Stunden. Hypnotisches für den Kopf, mitreißende Grooves für die Hüften, minimale Beats für die Beine und gezielte Breakes zum Ausrasten bis ins Morgengrauen hinein. Dann plötzliche Ruhe und eine Durchsage: „Wir müssen jetzt leider Schluss machen. Es ist gleich um Fünf. Das kennt ihr in Magdeburg ja. Wer will kann mit uns ins Heaven kommen. Ab um Neun geht es dann hier weiter.“ Darauf ergriff Red Robin das Wort: „Euch allen vielen Dank! Ehe ihr alle wegrennt: Eine Platte spiele ich noch!“ Der Ansage folgte Applaus, diesem der letzte Tanz und dann der kollektive Aufbruch der Übriggeblieben. Wie viele sich anschließend im Heaven versammelten, kann ich nicht berichten.


Gut ausgeruht bahnte ich mir am darauf folgenden Nachmittag den Weg durch die Menschenmassen zum Kavalier. Magdeburg feierte mit Volksfest, Kundgebungen und Jahrmarkt im benachbarten Stadtpark den 1. Mai. Die zu überquerende Sternbrücke und der Parkplatz auf dem alten Elbebahnhofsgelände, leiteten einen Teil der Besucher am Kavalier vorbei. Daher der Menschenauflauf. Als Kontrastprogramm zum bürgerlichen Treiben auf der anderen Elbeseite bekam das Openair nun eine gewollt oder ungewollt politische Komponente. „Wer arbeitet, kann auch feiern!“ Über diesen an der Wand hängenden Plakatsatz in Kombination mit dem Bild der in der Sonne fröhlich zu Techno Tanzenden wird so mancher der zahlreichen Zaungäste nachgedacht haben. Die Gesichter sprachen Bände.

Für mich war der Tanz um den heißen Brei ein wundervoller Start in die Openair-Saison. Endlich wieder unter freiem Himmel tanzen!


Fotos vom Zeitfixierer:

Mit:
MAXIME DANGLES (Kompakt/Scandium/Boxer/Valence/Frankreich),
RED ROBIN (Bar25/Trapez/Platzhirsch/Berlin)
Tacman
Steffen Felscher
The Mony

http://www.myspace.com/danglesmaxime


*Die zur Illustration verwendeten Bilder wurden freundlicherweise vom Zeitfixierer bereitgestellt.

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