Roots
Kein „Back to the…“, keine floskelhafte rückwärtsgewandte Aufforderung, sondern eine einfache Aussage: „Roots“. Jeder hat seine Wurzeln. Ob musikalisch oder familiär, sie sind charakterprägend und beeinflussen den subjektiven Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Veranstaltungstitel gepaart mit dem drei DJs umfassenden Lineup sowie die Art der Lokation ließen schon im Vorfeld erahnen, dass die Nacht in intimer Atmosphäre nicht nur eine Menge Spaß sondern auch Raum für musikalische Experimente bieten würde.
Ort des Geschehens war die Destille, eine gemütlich eingerichtete, konzerttaugliche Szene- und Studentenkneipe im Herzen Nordhausens. Im Gastraum verweisen alte Umlenkrollen an Wänden und Decke auf die industriellen Wurzeln. Hier treffen moderne Aktmalereien auf ehrwürdige Backsteinmauern und modernes Bar-Equipment auf antik wirkende Einrichtungsgegenstände. Die „Roots“ sind erkennbar, allerdings nicht überpräsent. Eine angenehme Symbiose aus Tradition und Moderne.
Auf die Nutzung des separat vorhandenen Floors wurde an diesem Abend bewusst verzichtet. Stattdessen richtete man die in einem Winkel des Gastraumes befindliche Bühne her. Neben dem DJ-Pult und wurde eine voluminöse Soundanlage installiert und etwa 20qm Platz für Tanzwütige geschaffen. Immerhin sollte nicht nur gelauscht und über die Musik geplauscht werden.
Den musikalischen Einstand gab Marcel Knopf. Passend zur verhältnismäßig noch frühen Stunde mit ehr gediegenen tendenzielle loungeartigen, minimalen Sounds. Über die Zeit hin verdichtete er die Strukturen hin zu einem stilistisch sehr abwechslungsreichem Set, dass zur Freude vieler älterer Semester mit einigen aufgearbeiteten Klassikern gespickt, zum ausgelassenen Schwingen der Tanzbeine aufrief. Folglich wurde es vor der Bühne zusehends enger und als bald artikulierte die Crowd ihren ersten Höhepunkt.
Gegen halb zwei bewegte sich einer der Jubelnden auf das DJ Pult zu, schaute etwas verwegen in eine der Plattenkisten, griff nach einer Weile beherzt zu und löste schließlich den Gestalter des Prologs ab. Dieser Jemand war Arrtu ein junger Finne, der Dub – Liebhabern wohl eher unter dem Pseudonym „Lump“ ein Begriff sein sollte. Durch zwei Releases auf Textone (txtn 15 & 26) hat er nicht nur in der Netaudioszene auf sich aufmerksam gemacht, sondern auch bei den Machern der mo´s ferry-Labelfamilie. Sein 2004 auf Textone veröffentlichter Track „huyndai strikes back" fand Eingang in die „Bits to phono“ Vinyl-Compilation (mfp020), welche damalige Netaudioperlen auf schwarzes Gold fixierte. Als Bonus zum Vinyl gab es übrigens eine von Marcel Knopf zusammengestellte Mix-CD. Mittlerweile ist Arrtu mit zwei Releases auf dem mo´s ferry Schwesterlabel RRygular vertreten und definierte mit seiner „BAFFLED E.P. (RRY01)“ die Erwartungshaltung der Musikfreunde und Rezensenten für den kommenden Labelkatalog. Da waren sie wieder die „Roots“.
In seinem Set zeigte Lump vieles von seiner musikalischen Bandbreite. Den Beginn gestaltete er leicht abstrakt-dubig bis sphärisch. Für mich ein absoluter Ohrenschmaus. Leider nicht sehr tanzbar und wahrscheinlich für ein Großteil der Besucher etwas zu speziell. Die Tanzfläche leerte sich ein wenig, was in Anbetracht ihrer überschaubaren Größe auf die dortige Stimmung schlug. Mit einem langsamen Wechsel hin zu housigeren, deep-treibenden Klangstrukturen trafen dann aber die Beats wieder in eine größere Zahl der anwesenden Herzen und ein neuer Reigen wurde eröffnet. Um kurz vor drei ging dann das Zepter an Smoking Beats (Safari Club) über. Der Lokalmatador überzeugte mit einem guten Minimalset, welches mich bis zu meiner Heimfahrt gegen vier wunderbar unterhielt.
Insgesamt war es für mich ein sehr angenehmer Abend mit hervorragender Musik. Dass die Veranstaltung im Gastraum stattfand, hatte allerdings Vor- und Nachteile. Die durch den Gaststättenbetrieb verursachten Nebengeräusche und die Offenheit der Tanzfläche zum Rest der Bar empfand ich ein wenig störend. Aber mit Blick zum DJ-Pult und Nähe zu den Boxen konnte man das relativ gut ausblenden. Großer Vorteil war die enge Beziehung zu den Artists und die familiäre Atmosphäre. Als bald hatte man sich mit den anderen Tänzern angefreundet, plauschte mal hier mal da über Gott und die Welt und ließ gemeinsam die Woche ausklingen.
Lineup:
Lump
Marcel Knopf
Smoking Beats
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