Montag, 29. August 2011

Mo´s Ferry Showcase @ Destille Nordhausen (02.02.08)


Daten, Fakten und Hintergründe einer ausschweifenden Labelnacht

Dass sich die Köpfe des Berliner Labels Mo´s Ferry Productions noch immer mit ihrer nordthüringischen Heimat verbunden fühlen, bewiesen sie erneut am 2. Februar mit der Veranstaltung einer ausgelassenen und fast intimen Labelnacht in Nordhausen am Harz.

Ort der Begegnung war die „Destille“, eine gemütliche und interessant eingerichtete Clubbar. Das Lokal ist in mehrere Ebenen gegliedert. Im Zentrum – einem großen Raum dessen Atmosphäre vor allem durch die an den kahlen Backsteinwänden und der Decke montierten riesigen Umlenkrollen industriellen Ursprungs geprägt ist – befinden sich ein großer Tresen, bequeme Sitzmöglichkeiten sowie im angrenzenden Erker eine Bühne. An diesem Abend sollte der Hauptschankraum als Chilloutbereich dienen. Für die passende musikalische Untermalung sorgte dort ein Ambient-DJ. Eine umfassende Getränkeauswahl und ein Chicha-Verleih rundete das Wohlfühlpaket für alle die nach Entspannung vom Tanz lechzten ab. Wer weniger durch Entspannung und mehr durch den schnellen Kick seine Müdigkeit bekämpfen wollte, konnte sich eine leckere Kaffeespezialität mit einer der wohl eigenartigsten Espressomaschine der Welt zubereiten lassen. Neben dem Schankraum befindet sich ein gemütliches Kaminzimmer (Kamin war leider aus). Dahinter ein kleiner – etwa wohnzimmergroßer – Floor. Hier sollten die Mo´s Ferry Artists Jörn Kleinschmager, Olene Kadar, Dapayk&Padberg sowie Marcel Knopf für einen ausgelassenen Reigen sorgen.


Den um 23:00 Uhr beginnenden Prolog der Labelnacht führte Jörn Kleinschmager. Der DJ und Produzent ist nicht nur langjähriger Begleiter von Mo´s Ferry, sondern sorgt darüberhinaus zusammen mit Mentell und Nikolas Starnberg durch das Gemeinschaftsprojekt „Dreikommanull“ insbesondere im Leipziger Raum regelmäßig für Furore. Im Zentrum seines Schaffens steht das Konzept eines aufs Wesentliche reduzierten Technos mit Bezügen zum „Frickel-Sound“. Im Klartext bedeutet dies eine Form minimaler-elektronischer Musik, die vor allem von ihren Feinheiten und innwohnenden Überraschungen lebt. Nach kurzer Einwirkzeit auf das Publikum entfaltet sie so eine wohlige Tiefe und versetzt die Tanzbeine in permanentes Schwingen. So auch an diesem Abend. In Verbindung mit der beschaulichen Größe und dem Ambiente des rot beleuchteten Floors erreichte die Tanzstimmung bereits vor Mitternacht ein angenehmes konstant hohes Niveau.

Gegen zwei übergab Jörn Kleinschmager die musikalische Leitung des Reigens an das neuste Mitglied der Mo´s Ferry Familie, Olene Kadar. Seine unkonventionelle Live-Performance sollte für viele das überraschende Highlight des Abends werden. Grund genug, den jungen Holländer – der mit bürgerlichen Namen Henk van Zwol heißt – etwas genauer vorzustellen.

Olene Kadar nach den üblichen Schemen biografischer Abhandlungen zu charakterisieren, wäre in Anbetracht der beobachtbaren Symbiose aus Habitus und Musik, viel zu kurz gegriffen. Das gewellte etwa schulterlange dunkelblonde Haar, der verwachsene Wochenbart, der modische Hoodie kombiniert mit einer so locker getragenen Jeans, dass der Blick auf das blau-weiß karierte Boxershort gezogen wird. Alles Äußerlichkeiten, die sicher nicht allein Grundlage eines Urteils bilden sollten. Aber in Kombination mit der Art und Weise seines Equipment-Aufbaus sowie seiner Gestik, lassen freilich doch einige Charaktereigenschaften ablesen, die sich auch in seinem Ableton-Live-Set widerspiegelten. Sein MacBook hatte Henk zum sicheren Transport in ein rotes Frotteehandtuch eingewickelt. Der Mac läuft - wie sich später herausstellte - mit Windows-Betriebssystem und als Mousepad diente ein zuvor von einem Karton abgerissenes Stück Pappe. Auf den angeschlossenen Controllern herrschte ein Kabelsalat, welcher einige der Drehregler verdeckte. Kurzum: Sein äußeres Erscheinungsbild wirkte auf den ersten Blick überaus leger. Dem diametral gegenüber stand sein Eifer beim Performen, einem stetigen Wechsel zwischen Spannung und Entladung. Mit beinahe hypnotischem Blick starrte er auf den Bildschirm, biss dabei angespannt wahlweise auf seine Zunge oder Unterlippe, um dann anschließend hinter den Geräten euphorisch aufzuspringen. Genauso wie seine Gesamterscheinung war sein Set: Chaotisch, unkonventionell, freaky, Flächen und Minimale Beats, Verzerrungen, zahlreiche Breaks, sublimierter Wahnsinn!

Hält man sich das alles vor Augen, wirkt sein Weg zu Mo´s Ferry dagegen schon fast wieder klischeehaft und altbacken. Bei einem Gig in Amsterdam trafen Olene Kadar und Dapayk erstmals zusammen. Henk übergab eine Demo, welche nach Angaben von Marcel Knopf (DJ u. Produzent, A&R von mo´s ferry) auf einer Fahrt nach München angehört wurde und die Insassen des Fahrzeugs „total weg gerockt hat“. So sehr, dass demnächst zwei EPs des Holländers auf dem Label erscheinen werden. Man darf also gespannt sein.

Übrigens: Falls jemanden die Neugierde auf Musik von Henk van Zwol aufzufressen droht, dem sei seine unter dem Pseudonym Jungheinrich auf dem Netlabel Kreatur Musik veröffentlichte „Accu EP“ ans Herz gelegt. Wer die EP hört, wird vielleicht eine Vorahnung aber definitiv keine Vorstellung dessen haben, was die Besucher des Mo´s Ferry Showcase in der Destille Nordhausen erlebten. Ihre Begeisterung und die von Olene Kadar aufgebaute Spannung, entluden sich am Ende des Sets in einem mehrere Minuten andauernden, tosenden Applaus. Sehr ungewöhnlich für elektronische Tanzveranstaltungen. So sehr, dass der Bejubelte offensichtlich gar nicht fassen konnte, was er da zuvor mit seinem Publikum angerichtet hatte.

Im folgenden Change-Over knüpfte Marcel Knopf gekonnt an Olenes Stil an und führte das Publikum mit einem kurzen DJ-Set sanft in die Stilebenen des nachfolgenden Live-Acts: Dapayk & Padberg.

Wenn man die Berichterstattung der letzten Monate über das Projekt „Dapayk & Padberg“ verfolgt, könnte man voreilig das ungenaue Bild eines Supermodels, welches jetzt auch noch versucht Musik zu machen, erhalten. Wer genau hinsieht und hinhört wird entdecken, dass Eva Padberg von Beginn an eng mit dem Label verbunden ist. Aber warum dieser Hinweis? Gegen Ende der „Dapayk & Padberg“ Performance, die sonst zum größten Teil aus Stücken des aktuellen Albums „Black Beauty“ bestand und mehr durch die Gesamtshow als durch die Gesangsqualität überzeugte, gab es eine humorvolle Früher-war-alles-besser-Einlage. Während Eva erklärte, dass damals selbst die Bässe fetter waren, drangen in mir Erinnerungen an eine längst vergangene Mo´s Ferry Labelnight im Schloss zu Roßla empor. Die kleine Anekdote aus einer Zeit vor meiner Partyberichterstattung kann ich mir nicht verkneifen.

Damals war ich noch im Begriff die verschiedenen Stilarten der elektronischen Musik für mich zu entdecken. Die Wochenenden waren von Ausflügen zu diversen Raves der Region geprägt und die Informationsbeschaffung erfolgte ausschließlich über Flyer, die am Morgen danach hinter dem Scheibenwischer meines ersten Autos klemmten. Ehrlich gesagt, hätte die Party nicht so nah an meinem Heimatort stattgefunden, hätte ich sie wohl nicht besucht. Umso größer war für mich die Überraschung vor Ort. Die Lokation war wider erwarten schön gestaltet, am Merchandisingstand konnte man T-Shirts bewundern und was noch wichtiger ist die Musik hat mir sehr gefallen. Einziges Manko an dem Abend war, dass die örtliche Verwaltung das Erheben von Eintritt verbot und somit der Log-In-Effekt fehlte. Das machte sich dann auch deutlich bemerkbar. Während ich meinem Bruder aus dem „Schranzfloor“ holte und ihm vorschwärmte, wie mir „das Set mit der Sängerin“ auf dem Saal gefällt, hörte ich von anderen Gästen zufällig folgenden Kommentar: „So´n Scheiß. Komm wir fahrn ins CCools.“ Eigenartiger Weise aus den Mündern eines Klientel, was es heute nötig macht, Fotografier-Verbote zu erlassen. Ehe ich diesen Gedanken weiter ausbauen konnte, wurde er durch die fetten Bässe von „use your arms“ weggeblasen. So klang der abwechslungsreiche Auftritt von Dapayk & Padberg in der Destille fulminant aus.

Kurzer Applaus, dann folgte als Abschluss ein minimales DJ-Set von Marcel Knopf. Allerdings zeigte der seit Beginn der Veranstaltung fast ununterbrochene Dauertanz meinerseits seine Schattenseiten. Irgendwann war mir selbst das Wippen zu dem Beat zu anstrengend und ich zog mich in den Chilloutbereich zurück. Auf einem der Sofas wertete ich mit dem dunkelhaarigen Mädel neben mir spontan den Abend aus und genoss das schöne Ambient-Set des DJs, dessen Namen ich eigentlich noch erfragen wollte. Kurz vor sechs traf ich dann wieder auf meine Schwester und gemeinsam traten wir den Heimweg an.

Fazit: Insgesamt eine fabelhafte Nacht an die ich mich noch eine Weile zurück erinnern werde. Absolutes Glanzstück war für mich das Set von Olene Kadar. Unvergessen wird sicher auch die von den Mitgliedern der Mo´s Ferry Crew vermittelte Freude und Harmonie bleiben. Crowd und Crew feierten zusammen in einem wohnzimmergroßen Floor, feuerten sich gegenseitig an und genossen gemeinsam eine fast schon familiäre Atmosphäre. Es bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Jahr eine Fortsetzung geben wird.


Lineup:
Olene Kadar –live-
Dapayk&Padberg –live-
Jörn Kleinschmager
Marcel Knopf

Bilder: Vielen Dank an Marcel Knopf und die Crew von mo´s ferry fürs Zusenden!

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