Montag, 29. August 2011

[Review + Interview] Manifest & Subtotal - Drei Jahre Klub Elektrik Magdeburg (12.04.08)

Klub Elektrik feierte mit Freude & Freunden
"MANIFEST & SUBTOTAL - DREI JAHRE KLUB ELEKTRIK"

Wovon unzählige Plakate in Magdeburgs Innenstadt schon seit Wochen kündeten, wurde am 12. April Wirklichkeit. Der Klub Elektrik feierte seinen dritten Geburtstag. Und das nicht irgendwo, sondern in dem Veranstaltungszentrum, welches den Magdeburgern wohl am meisten am Herzen liegt: Der KulturFestung Mark. Aber nicht nur die Wahl der Lokation sorgte im Vorfeld für Aufsehen. Auf die Flyer zur Veranstaltung wurde ein Manifest gedruckt, welches die Philosophie des Klubs ohne festen Wohnsitz propagiert. „Du bist der Klub!“ Erkenntnis und Aufforderung in einem Satz zugleich. Kundgemacht von einem Projekt, welches bereits mit den ersten Wehen die Clubkultur der Landeshauptstadt nachhaltig verändern sollte. Grund genug nicht nur wie sonst üblich der Veranstaltung beizuwohnen, sondern einmal bei den Geburtshelfern persönlich vorbei zu schauen und über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Klub Elektrik fach zu simplen.


Geburtsstunden

Alles begann im Timex, einem mittlerweile geschlossenen (Mainstream-)Klub, der in einer alten Bäckerei sein Domizil hatte. Vor Januar 2005 gab es dort jeden Freitag eine mehr weniger als gute Disco-House-Party. Die niedrigen Besucherzahlen sprachen Bände und verursachten bei dem Personal eine ordentliche Portion Langeweile. So erging es auch Stefan Pooch, Gründungsmitglied und Kopf des heutigen Klub Elektrik. Stefan arbeitete im Timex als Barkeeper und betrachtete das Treiben mit gemischten Gefühlen. Einerseits sah er seine Job gefährdet andererseits sah die Chance etwas Eigenes auf die Beine stellen und etwas Neues im Nachtleben Magdeburgs etablieren zu können. Regelmäßige Technopartys mit überregionalen Gastacts waren anderen Ortes schon längst Gang und Gäbe, bis in die Elbestadt waren sie dagegen noch nicht vorgedrungen. Der begeisterte Fan elektronischer Musik zeigte Initiative und überzeugte den Betreiber des Timex ihm die Gestaltung der Freitage zu übertragen. Zusammen mit befreundeten DJs sollten fortan jeden Freitag Technopartys nach Berliner Vorbild organisiert werden.

Die Veranstaltungsreihe sollte dabei unter einem eigenen Label laufen, welches nicht auf die gängigen Technoklischees verweist, Identifikationspotential bietet sowie einfach und verständlich ist. Am Ende der Überlegungen stand der vieldeutige Name Klub Elektrik. Dazu Stefan Pooch: „Der Name sollte deutsch sein. Klub steht somit nicht unbedingt für ein festes Gebäude, sondern eher für Gemeinschaft. Ein Klub wo man sich und seine Menschen hat, die man treffen möchte. Elektrik ist mehr als ein Verweis auf die Musik. Es bezieht sich auf die Eigenschaften von Elektrizität. Sie ist belebend, spannend, anziehend. Gemeinschaft und anziehend stehen in einem Verhältnis zueinander und bilden eine Einheit.“

Mit dem Partykonzept hatten die Gründer des Klubs offenbar einen Nerv getroffen. Die Veranstaltungen erfreuten sich schnell einer wachsenden Beliebtheit und das auch bei einem Publikum, welches man bis dahin mit dem Wort „Technoparty“ vergraulen konnte. Elektrik wurde mit Elektro verbunden, obwohl der Sound ganz klar Techno war. Klub Elektrik wurde zum Markenamen einer sich entwickelnden Szene, die sich jeden Freitag im Timex einfand und die Woche gemeinsam tanzend ausklingen ließ. Nach einem Jahr dann der Schock. Das Timex schloss seine Pforten und der Klub Elektrik wurde heimatlos. Stefan Pooch: „Im Nachhinein betrachtet war es das Beste was uns zu dieser Zeit passieren konnte. Man hat dann erst erkannt, was für Fehler man gemacht hatte. Die Veranstaltungen waren auch zu häufig für diese Stadt.“

Aus der Not wurde eine Tugend gemacht. Fortan fanden die Klub Elektrik Partys weniger oft und dafür an wechselnden teils ausgefallenen Locations statt. OpenAirs im Park, Raven auf der Elbe, Tanzen in verschiedenen Clubs, einmal sogar im historischen Schauspielhaus. Grundprinzip bei der Locationwahl: „Interessant und mitten im Leben. Party für Leute aus der Stadt in der Stadt. Uns ist es wichtig, dass die Leute Spaß auf den Veranstaltungen haben und das beginnt bei der Anreise, geht über die Gestaltung der Location, und hört bei den Acts auf. Alles soll ein positives Lebensgefühl vermitteln. Dazu passen keine dunklen Räume mit Stroboskoplicht. Bei den DJs ist es wichtig, dass sie die Gäste animieren. Also sie sollen ihn angucken und sich freuen wenn sie ihn sehen. Einen DJ der mit der Musik mitgeht, sehen die Leute lieber als eine deutsche Eiche, die ein perfektes Set abliefert.“, so Pooch und Reinsch ergänzt, „Daher auch unser Motto „Mit Freude und Freunden“. Der Klub ist lokal, familiär, freundschaftlich. Nicht der Umsatz steht im Vordergrund sondern der Spaß an der Sache. Wir Acts sind untereinander gut befreundet, treffen uns auch mal in der Woche und bei den Veranstaltungen feiern wir zusammen. Das soll auch dem Publikum vermittelt werden und es findet ja auf den Veranstaltungen auch satt. Viele gehen gemeinsam mit ihren Freunden aus und wollen gemeinsam etwas erleben. Eine Party lebt immer von der Stimmung, vom Publikum. Jeder Einzelne trägt etwas dazu bei. Unsere Gäste sollen Spaß haben, eine unvergessliche Nacht erleben und sich bestenfalls als Teil des Ganzen fühlen. „Du bist der Klub!“ drückt genau das aus.“


„Manifest und Subtotal“

„Manifest & Subtotal“ ist mehr als nur ein weiterer spritziger Veranstaltungsname aus dem Hause Klub Elektrik. Er verkörpert den Klub, sein Lebensgefühl und seine Ideale. Das Manifest ist wie die Party eine Danksagung des Machers an die treuen Gäste und Mitstreiter. Gleichzeitig definiert es die Grenze zu anderen Veranstaltungen in Magdeburg. Modeunabhängige Klubkultur, die ein Gefühl des Daseins, der Größe, des Glücks und der Harmonie transportiert. Trotz hochkarätiger nationaler und internationaler Künstler in den Lineups möchte man sich fernab vom großen Hype bewegen und mit einer ganz eigenen, individuellen, familiären Note bestechen. Anders sein – Subtotal eben. Ein Bekenntnis zu den Wurzeln. Auch in der Gestaltung des Flyers und der Plakate. Dort fanden die für die Partyreihe im Timex als prägendes Stilmittel der Werbeträger entworfenen Mensch-Roboter wieder Verwendung. Die von Kraftwerk inspirierten Menschmaschinen wurden mit den Gesichtern der Klubmitglieder versehen. Glücklich und erwartungsvoll blicken sie drein. Es wird noch viel passieren. Großes steht an. Bald soll ein Label gegründet werden, auf denen sich die Produzenten unter ihnen austoben können. Und es geht auf Reisen. Eine Klubtor steht an. Zu Freunden die man in den letzten Jahren kennen gelernt hat, wie man mir sagte. „Aber zuerst feiern wir in der Festung. Du kommst doch auch?“



Festtag in der Festung

Als die Preußen die Festung Mark als Defensionskaserne für 800 Soldaten an der Nordfront des inneren Verteidigungsringes der Stadt erbauten, hätten sie sich wohl nie träumen lassen, dass sich einige hundert Jahre später daraus ein Bollwerk der Kultur entwickeln würde. Die Zwischenzeit war bewegt und ging nicht spurlos an dem Backsteingebäude vorbei. Militärische Nutzung, in den Goldenen Zwanzigern Umbau zum Arbeitsamt, im zweiten Weltkrieg Wohnstätte für 600 italienische Arbeitskräfte, Bombentreffer, Umgestaltung zur Bürstenfabrik und Korbflechterei, nach dem Zusammenbruch der DDR zahlreich gescheiterte Verkaufsversuche und schließlich 2001 die Entscheidung zur Umwandlung in eine Kulturfestung für Magdeburg. Im Sommer 2005 wurde die Bürgerstiftung “KulturStiftung FestungMark” als zukünftiger Träger der ehemaligen Kasernenanlage gegründet. Deutschlands Bürgerstiftung mit den meisten Gründungsstiftern, ist seitdem bemüht der alten Kaserne wieder Leben einzuhauchen. Konzerte, Tagungen, Mittelalterspiele, Festivals, Studentenpartys und nun ein Rave im Großen Saal.

Der Große Saal bietet mit seinen rauen Backsteinwänden, dem mächtigen elf Meter hohen Gewölbe und den massiven Bögen eine atemberaubende Kulisse, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Beim Umbau wurden die Zwischendecken der oberen Etagen entfernt, so dass man das Gefühl hat, in Mitten eines riesigen Rohbaus zu stehen. Vorsprünge wecken die Begierde klettern zu wollen. Türen und Fenster in luftiger Höhe regen die Phantasie an. Die Kulisse hat etwas sakrales, erinnert auch von der Akustik her ein wenig an eine Kirche. Die zwei Barbereiche an den Enden des Saals sind wohl integriert und stören nicht im geringsten die Aura. Der Saal spricht für sich selbst und die Klub Elektrik Crew ließ ihn sprechen. Mit Deko wurde sich weitestgehend zurückgehalten. Nur ein paar Banner, eine dezente Beleuchtung und drei Videoleinwände. Eine davon direkt hinter dem DJ Pult, die anderen beiden flankierend in den großen Bögen. Die Verantwortung über das Licht wurde einem VJ gegeben. Dieser verstand es gut die Lokation in Szene zu setzen.

Die musikalische Verantwortung oblag in dieser Nacht ausschließlich den Acts von Klub Elektrik. Möglichst alle sollten zur Geburtstagsfeier spielen. Bei 13 Künstlern im Portefolio war klar, dass dies nicht in überlange Sets ausarten konnte. Jeder bekam eine Stunde und füllte sie gut aus. Den Einstand gab Cheßica, von deren Set ich leider nur das Ende verfolgen konnte. Die gut gefüllte Tanzfläche ließ aber vermuten, dass sie ihre Arbeit gut gemacht hat. Es folgte ein Set von Thomas Winkler. Minimal, technoid, definitiv elektrisierend. Ab 1 Uhr übernahm clik aka coltone die Regie. Auf sein Liveset schienen viele gewartet zu haben. Immerhin wurde es nachdem er seinen Laptop auf dem Pult platzierte spürbar enger. Der Stimmung tat das keinen Abbruch und mit den ersten tönen brach Jubel aus. Fröhlich Gesichter, bunte Gestalten, Arme nach oben, fallen lassen und träumen.

Die Nebelschwaden der Maschinen waren mittlerweile bis zur Decke vorgedrungen. Der Nebel ließ hoch oben das Deckengewölbe verschwimmen, bis es vollends im Dunst verschwand. Die Spots schienen in einen Himmel zu leuchten. In dieser großartigen Umgebung fühlte man sich unglaublich klein. Dazu die Musik. Treibende Beats kombiniert mit sanft angedeuteten Flächen. Postminimales Klicken und Klacken, was direkt in die Beine ging. Das Publikum dankte ausgelassen. Nicht nur mit dem tosendem Applaus zum Schluss von coletones gelungener Performance.

Anknüpfend überzeugten Duensch & Reinsch mit einem leicht verfrickelten DJ-Set von ihrem Können. Geschickte Breaks, einsetzende Bässe und eine sichtbare Freude der beiden an der Musik taten ihr Übriges um den fröhlichen Reigen am Laufen zu halten. Gegen ende ihres Sets versammelten sich die Protagonisten des Klubs am Pult. Die Platten wurden angehalten und es folgte eine Ansprache vom ersten Mann des Klubs, Stefan Pooch. Dieser bedankte sich im Namen aller bei den Gästen für ihre Treue und ihre Ausgelassenheit: „Gemeinsam wollen wir für Euch ein Geburtstagslied singen. Denn: Ihr seid der Klub!“ Im Anschluss wurde den Gästen eine riesige Geburtstagstorte serviert. Eine schöne Geste.

Die Kalorien sollten sogleich verbrannt werden. Mit dem folgenden Sets von Tacman, The Mony, Steffen Felscher, Rocco Brühl und des Duos Morris & Plastiksoul gelang dies auch vortrefflich. Jeder steuerte seine Interpretation elektronischer Klubmusik bei. Irgendwo zwischen Techno, House, Techhouse, Indie, Elektro oder Minimal. So wie immer Im Klub Elektrik. Je nach Belieben - Hauptsache am Puls der Zeit und es bereitet den Freunden Freude. Gegen Acht Uhr war das offizielle Ende der Veranstaltung in der Festung Mark. Für Nimmersatte gab es im Anschluss in der Szenebar Deep noch eine offizielle Afterhour mit der treffenden Bezeichnung „Folgeerscheinung“. Davon konnte ich nur noch träumen. Mein Kräfte neigeten sich gegen halb sechs dem Ende zu und ich trat glücklich den Heimweg an.

Insgesamt war es eine würdige und sehr angenehme Sause. Einziges Manko des Abends war der verspätete Einlass. Eigentlich sollten sich die Pforten der Festung um 23:00 Uhr öffnen. Wegen einiger Schwierigkeiten mussten die früh angereisten allerdings knapp 40 Minuten warten. Die Wartezeit hatte sich aber auf alle Fälle gelohnt. Die Klub Elektrik Crew lies sich zum Geburtstagsfest sehr viel einfallen. Am Eingang wurden die Gäste mit einem Kräuterlikör begrüßt und ein Schminkstand zauberte viele bunte Gesichter. Wer sich mit Fanartikeln eindecken wollte hatte dazu ebenfalls Gelegenheit. Neben T-Shirts, Buttons und Postern, konnte man seinen Kleiderschrank noch mit der Klub Elektrik Schlüpferkollektion auffüllen. Schlüpfer traf es übrigens genau. Lustig anzusehen, aber ob sie jemand gekauft hat?


Lineup:
Morris & Plastiksoul
Duensch & Reinsch
Steffen Felscher
Matthias Helbing
Thomas Winkler
Cheszica
The Mony
Pistole
Tacman
Clik

www.myspace.com/klubelektrik


*Die zur Illustration verwendeten Bilder wurden freundlicherweise vom Zeitfixierer bereitgestellt.

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