Seit dem Frühjahr 2007 veranstaltet Kurzschluss in der Sackfabrik Magdeburg regelmäßig abwechslungsreiche Clubnächte. Die Crew möchte mit ihren Partys an die frühe Techno- und Housebewegung anknüpfen sowie mit einem breitgefächerten elektronischen Musikkonzept stilistische Schranken durchbrechen. Dabei reicht die dargebotene Bandbreite von House und Minimal über diverse Technospielarten bis hin zu Drum`n`Bass. Ihre Veranstaltungsreihe erfreut sich wachsender Beliebtheit und wartet in letzter Zeit mit hochkarätigen, innovativen Lineups auf. Also höchste Zeit Kurzschluss einmal persönlich einen Besuch abzustatten.
Passend zum Nikolaus gab es die Möglichkeit, gleich auf drei Floors, die frisch geputzten Stiefel auszuführen und die am Morgen mit reichlich Schokolade angefütterten Kalorien weg zu tanzen. Ob nun lieber zu Techno stampfend oder zu Deep House Tunes die Hüfte schwingend, das lag ganz am persönlichen Musikgeschmack. Meiner liegt momentan eher im housigen Bereich und so habe ich die Sets der in der Überschrift angepriesenen Headliner nur auszugsweise mit verfolgt. Selbstverständlich wurde, wie für einen Erstbesuch üblich, nicht nur die dargebotene Musik sondern auch die Lokation etwas genauer unter die Lupe genommen.
Die Alte Sackfabrik gehört zu den traditionsreichsten Magdeburger Klubs und liegt am Industriehafen Rothensee im Norden der Stadt. Auf dem Außengelände drehte vor einem Jahr das ZDF Szenen für ein Dokudrama, weil es dort „so schön nach Zweitem Weltkrieg aussieht“. Anders ausgedrückt, die umliegenden ehemaligen Industriegebäude haben schon lange ihren Zenit überschritten. Zwischen den bewachsenen Ruinen, verrosteten Verladekränen, alten Eisenbahngleisen und einem Hafenkanal befindet sich, in einem gut erhaltenen von außen eher unscheinbaren Backsteinbau, der Independent Club. Hat man den Eingang des Gebäudes passiert, tut sich eine ganz andere Welt auf.
Die Inneneinrichtung ist detailverliebt und verbindet alten industriellen Charme mit moderner Jugendkultur. Alles wirkt ein wenig improvisiert, ist in sich aber stimmig. An den gekalkten Backsteinwänden sind Graffitis, Schaukästen zeigen Fotos vergangener Konzerte, als Sitzmöglichkeiten dienen Ledergarnituren ausgemusterter Eisbahnwagons, Ölfässer ersetzen Stehtische, Werbetafeln erinnern an sozialistische Einheitsprodukte vergangener Zeit. Die Liste ist lang. An jeder Ecke und in jeder Nische kann das interessierte Auge haften bleiben. Spätestens wenn man den Club-Floor betritt, werden die Augen um einiges Größer. Im hinteren Drittel steht eine teils aufgesägte Limousine. Die Verformungen der Front- und Heckpartien lassen darauf schließen, dass auf dem zur Sitzgruppe umfunktioniertem Gefährt ausgelassen getanzt wurde.
Gegen den Club geradezu puristisch wirkt der größte Floor, die Hall. Für große Konzerte von Rockbands konzipiert, beschränkt sie sich auf das dafür Wesentliche. Eine Bar, eine große Bühne und dazwischen eine Menge Platz. Um ein Clubgefühl zu erzeugen und die Räumlichkeit der erwarteten Besucherzahl anzupassen, wurde die Halle mit schwarz bespannten Bauzäunen um einiges verkleinert und der Barbereich abgesondert. Werbeplakate für zukünftige Veranstaltungen und mit Visuals bestrahlte Leinwände lockerten die dunkle Begrenzung etwas auf. Allerdings änderte das nicht viel an dem Gefühl eingezäunt zu sein. Die Decke war im Verhältnis zum Zaun zu hoch, die Raumakustik verhieß mehr Weite und dadurch war der Zaun als solcher zu präsent. In Anbetracht der Alternativen war die Abgrenzung zwar nicht die Idealste, aber den Umständen entsprechend beste Möglichkeit und keinesfalls ein Stimmungskiller. Bei meinen kurzen Stippvisiten, wurde dort immer ausgelassen getanzt.
In einem kleinen Nebenraum zwischen Hall und Club hatte man den Deep House Floor eingerichtet. Neben dem Eingang das DJ-Pult, eine große diagonal ausgerichtete Sitzgruppe im hinteren Drittel, Stoffbahnen an Decke und Wänden, eine Videoprojektion und ein dezentes Lichtkonzept sorgten für ein gemütliches Ambiente. Ab halb eins stand hier Hagen Moldenhauer an den Decks und leider auch vor einem fast leeren Floor. Die noch zahlenmäßige wenigen Besucher zogen es eher vor sich in den Sitzecken der Bar oder im Club auf die Nacht einzustimmen. Umso bemerkenswerter war es, mit welchem Enthusiasmus der Prinzclub Resident trotz der Umstände sein Set spielte. Er tanzte ausgelassen und legte eine Performance hin, als ob vor ihm eine brechend gefüllte Tanzfläche lag. Sein minimalistisch deeper Mix zog mich immer wieder zurück und schlussendlich in Bann. Mir war irgendwie nicht nach Vorwärtstechno und das obwohl die Spanier Javier Galiano und DJ Matt zur gleichen Zeit in den beiden anderen Floors die Leute damit begeisterten.
Richtig voll wurde es im Deep House Floor erst gegen zwei Uhr, kurz bevor Verano und Paskal die Plattenteller übernahmen. Die beiden brachten es dann mit ihrem Set zustande, dass sich ein anhaltender Reigen entwickelte. Schön abwechselnd, aber nicht back-to-back, nahmen sie das Publikum mit tief groovenden Stücken für sich ein, hielten sie vor Ort und transportierten die Deepness, für die ihre Produktionen und Netlabels (www.arteqcue.de und www.whiteinmusic.net) geschätzt werden, auf die Tanzfläche. Nicht der Status, sondern die Musik zählt und so rotierte nicht nur die Festplatte des Laptops sondern auch eine Menge Vinyl auf den Plattentellern. Mit dem Wechsel gegen vier zu Doris Baecker, der zuvor unter seinem Pseudonym Siebenschläfer im Club ein Technoset spielte, wurde der Sound etwas experimenteller, blieb aber im zum Floor passenden Rahmen. Etwas nach halb fünf siegte die Müdigkeit und nach einem kurzen Abstecher zu Neil Landstrumm machte ich mich etwas wehmütig auf den Heimweg.
Fazit: Die Sackfabrik bietet als Lokation ein warmes, industrielles Clubgefühl, dass die Crew von Kurzschluss zu nutzen versteht. Die vorhandenen Dekorationen und das Lichtkonzept werden auf die am Abend angebotenen Musikstile soweit wie möglich angepasst und bei Bedarf ergänzt. Es wird sehr auf Qualität im Lineup geachtet. Durch die vielfältigen Veranstaltungen mit unterschiedlichem Musikfokus wird früher oder später für jeden Liebhaber elektronischer Musik etwas dabei sein. Ein Besuch lohnt sich allemal. In zwei Wochen ist es übrigens wieder soweit. Dann beschert DJHell vorweihnachtlich die Sackfabrik mit seiner Teufelswerktour 2008.
Viewpoint Bilder aus dem Inneren der Lokation:
Lineup:
Hall
Beroshima / Müller // Berlin
Fengari / Jackfruit // Berlin
Javier Galiano / Straight_Music / The Lux Club // Albacete - Spanien
Peter Lächelt / Strezz and Dust // BS
Casa / Kurzschluss / Sackfabrik // MD
Paradoxx / Strezz and Dust // HBS
Club
Neil Landstrumm *LIVE PA* / Scandinavia / Tresor // Edinburgh - United Kingdom
DJ Matt / Space Club // Valencia - Spanien
Siebenschlaefer / Ostcoderockerz / Trashbox // MD
Thomas Schneider / Kurzschluss / Sackfabrik // MD
Boma aka HansHardel / Kurzschluss / 2Inch // MD
Aromaenne / Kurzschluss // MD
Deep House Floor
Paskal & Verano / Arteqcue / White in Music // Berlin - MD
Hagen Moldenhauer / Prinzzclub // MD
Doris Baecker / Murmeltier-Records.de // MD
Recless Reach / Kurzschluss / Tools of Tomorrow // MD
Treehouse / Kurzschluss / Tools of Tomorrow // MD
T. Cake / Kurzschluss / Tools of Tomorrow // MD
Infos:
Infos zum Club:
Sackfabrik / place for music
Bauernwerder 1
D – 39126 Magdeburg Rothensee
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