Montag, 29. August 2011

Einer für Alle - Alte Diamant Brauerei Magdeburg (17.11.07)


Einer für Alle…

… und alle für eine wahnsinnige Nacht. So das Veranstaltungsmotto am 17. November in der Alten Diamant Brauerei Magdeburg. Auf dem Flyer prangten drei Musketiere mit den Konterfeien der Headliner Camea, Tim Xavier und Miro Pajic und in der Ankündigung wurde vollmundig ein fabelhaft-psychotischer Reigen in den Brauereigemäuern prophezeit. Dem medialen Propheten folgend erreichte ich bereits einige Minuten vor der offiziellen Eröffnung um 23:00 Uhr die Lokation.

Freundlicherweise musste ich nicht im Kühlen ausharren und so bot sich mir der hell erleuchtete Anblick der heiligen Tanzhallen im Innern. Die Brauerei-Crew war noch fleißig am Werkeln. Im kleinen Floor links von der Bar sorgten nur die Flammen des Elektrokamins vor dem DJ-Pult für etwas Bewegung. Noch herrschte gähnende Leere. In den folgenden Stunden würden hier die „Rocker“ der Kunstkantine (Just Etienne, Lorenz Krach, DJ Tork) für ausgelassene Stimmung sorgen. Dass mich die Darbietungen im Mainfloor so fesseln würden und dass es mich deshalb nur noch einmal kurz hierher verschlagen würde, ahnte ich um diese Zeit noch nicht. Die Drei mögen mir die Vernachlässigung verzeihen.


Mit einem Schwarzbier-Cola-Mix ausgestattet begab ich mich nun in den großen Floor. Einem alten Lagerkeller, dessen Decke von diversen Stahlsäulen gestützt wird. Dort legte gerade der aus Oschersleben stammende Newcomer Alexander Burghardt mit einem Enthusiasmus auf, als wäre der Floor bis an die Kapazitätsgrenze gefüllt. Sein Einsatz gefiel mir, ebenso wie sein überwiegend minimal geprägter Mix. Ich setzte mich auf eines der zahlreichen Sofas und ließ mich auf die bevorstehende Nacht einstimmen. Man merkte seiner Performance an, dass er sich schon seit seinem 16. Lebensjahr (2002) mit dem Auflegen beschäftigt. Erste Erfahrungen vor Publikum sammelte Alex im Le Chapitau (Oschersleben), im Bernabeum (Bernburg) und auf einigen Veranstaltungen im Harz. Der Stimmungsaufbau war passend und sanft eröffnete er den nächtlichen Reigen. Leider füllte sich die Lokation nur schleppend und so blieb Alexander ein verdient proppenvoller Floor verwehrt.

Gegen Eins erfolgte der Wechsel zu den Twinpitchers und erst während die sympathischen Zwillinge von Electronic Instinct die Tanzbeine im Schwingen hielten, füllte sich der Floor auf ein sehr angenehmes Niveau. Nicht zu voll und nicht zu leer: Für den Gast mit Tanzambitionen optimal. Ebenso wie das Set des Residentduos. Kostproben ihrer verspielten Minimalsets gibt es übrigens bei dem spanischen Internetradio „planetmamboclub.com“.

Kurz vor zwei Uhr übernahm dann eine junge Frau das Pult, welche die Überraschung des Abends werden sollte. Allerdings handelte es sich bei der Dame nicht um die angekündigte Camea. Diese wollte mit akuter Diarrhö verständlicher Weise lieber stillere Örtchen als einen Club aufsuchen und schickte daher Stephanie Kuehn aka Chroma S. als Ersatz. Die gebürtige Wittenbergerin bewegt sich seit 1996 in der Clubszene und entdeckte nach und nach ihre Liebe zum Vinyl. Seit 2001 präsentiert sie ihre Plattensammlung vor Publikum und war in den folgenden Jahren an der Organisation von Techno-Partys in der Lutherstadt Wittenberg beteiligt. Seit ihrer Übersiedelung nach Berlin ist Stephanie regelmäßig in den dortigen Club vertreten. Dort sammelt sie Inspiration und steht ab und an selbst hintern den Decks. Ursprünglich der härteren Gangart verfallen, wandelte sich Stück um Stück ihr Musikgeschmack und somit veränderten sich auch ihre Mixsets. Momentan präsentiert sie eine fassettenreiche elektronische Mischung, die irgendwo in den Tiefen des deep house beginnt und über Minimal-Techno und Electro bis hinauf zu härteren Detroit-Sounds reicht.

Auch in der Alten Diamant Brauerei blieb Chroma S. ihrem Kredo, „die Crowd mit exklusiven und exquisit ausgesuchten Platten zu verwöhnen“, treu. Mit einer Mischung aus aktuellen Clubhits und weniger bekannten Juwelen aus den Bereichen Techno, House und Electro versetzte sie Clubgänger und Musikliebhaber gleichermaßen in Verzückung. Definitiv ein würdiger Ersatz für Camea. Das zeigte sich auch am Applaus des Publikums am Ende ihres Sets. Leider wird den meisten Besuchern der plötzliche personelle Wechsel nicht aufgefallen sein. Dies sei hiermit ein Stück weit nachgeholt.

Auf Stephanies vinyleske Darbietung folgte ein (Abelton) Liveset von Miro Pajic. Seine zunächst etwas schwerfällig und experimentell angehauchte Darbietung verschaffte den Gästen eine kleine Ruhephase. Einige nutzten die Gunst der Stunde, um an der Bar oder in den Ruhezonen neue Kraft zu tanken. Die Reihen der Tanzenden lichteten sich ein wenig und es kamen leichte Zweifel auf, ob das Set mit dem hohem - zuvor von Chroma S. erzeugtem - Energielevel mithalten könnte. Das kurzweilige Intermezzo stellte sich als erneuter und intelligent gehandelter Spannungsaufbau heraus. Peu á peu hypnotisierte Miro mit einem grenzwertigen minimal bis derben Technoset die Zuhörerschaft. Die Klickernden, piependen und pfeifenden Sounds gingen direkt vom vibrierenden Trommelfell auf die Tanzorgane über und es drängte sich die Frage auf, wer denn der Typ mit der weißen Mütze hinter dem Laptop sei.

Miro ist ein in Frankfurt a. M. geborener DJ und Produzent, der sich seit Anfang der 90er Jahre in der Techno-Szene bewegt. Schon zum Beginn seiner Karriere wurde er ein Mitglied der berüchtigten PCP (Planet Core Productions) Posse. Das sein Name in der allgemeinen Wahrnehmung innerhalb der Szene nicht omnipräsent ist, wird wohl an seinen unzähligen Pseudonymen liegen. Um nur Einige zu nennen: Billy The Kid, Bold Bob, David Popperfield, Destination, E-Cowboy, E-Man, Evidence, Frozen, Hypnotizer, Jack Lucifer, M1, S.O., Steve Shit. So riesig die Namensliste, so zahlreich sind auch seine Releases. Seit 1993 hat er über 70 Vinyl in den Genres Techno, Hardtechno, Rave und Hardcore veröffentlicht.

Auch Miro konnte sich der Anziehungskraft der Hauptstadt nicht erwehren und seitdem es ihn nach Berlin zog, hat sich auch sein musikalisches Betätigungsfeld verändert. Wie viel „Core“ noch in ihm steckt und wie viel „Minimal“ er mittlerweile aufgesogen hat, zeigte er überzeugend während seiner Performance in den Brauereigemäuern. Allen anderen seien seine aktuellen und kommenden Veröffentlichungen „Wired Worlds“ (KIDDAZ.FM), „Help! I´m In Berlin“ (Klickhaus), „Data Devils“ (TORATORATORA) und „In Da Pocket E.P.“ (Tonewrecker) ans Herz gelegt.

Im fliegenden Wechsel schaltete sich irgendwann Tim Xavier hinzu und übernahm die euphorische Crowd. Der gemütlich und etwas schüchtern wirkende Amerikaner hält nicht viel von Hypes um seine Person. Bodenständig erklärt der Betreiber der Labels Klickhaus und Clink: „I simply produce music and hope it entertains people.” Seit mittlerweile elf Jahren betreibt Tim das Deejaying, seit sieben Jahre produziert er elektronische Musik und nunmehr vier Jahre verleiht er mit seiner Firma „Manmade Mastering“ diversen Tracks den letzten Schliff.

Für mich sollte sein Set der letzte Schliff vor der Heimreise sein. Bis dreiviertel Sieben genoss ich seine mit Traktor Scratch abgefeuerten mp3 Salven. Wie in der Ankündigung: minimal psychotisch, gewürzt mit einer Prise Industrial. Sehr passend für die Klangräume der Alten Brauerei Diamant Brauerei.

Fazit: Eine spannende minimalistische Tanznacht. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Vielen Dank an alle die so ausgelassen gefeiert haben. War absolut ansteckend.


Quellen und Links:
Lokation:

Artists:

Acts der Kunstkantine:

Internationales Künstlerportal betrieben von Stephanie Kuehn aka Chroma S.:
http://www.electronic-roots.de/


*Die zur Illustration verwendeten Bilder wurden freundlicherweise vom Zeitfixierer bereitgestellt.

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