Montag, 29. August 2011

Kunstkantine Magdeburg - Bye Bye Buckau! (09.06.07)


Bye Bye Buckau – Die letzte Party vor der Sommerpause!

Buckau, das ist der Stadtteil Magdeburgs der heutzutage als strak sanierungsbedürftiges Abrissviertel verspottet wird und früher weit bekannt für seine Schwermaschinenindustrie war. Eigenartigerweise überlebten, im Gegensatz zu den zivilen und kirchlichen Einrichtungen des Stadtzentrums, die in der Gründerzeit errichteten Arbeiterhäuser und Fabrikgebäude Buckaus den zweiten Weltkrieg. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Location in einem dieser, nach der Wiedervereinigung zur Schließung verurteilten, altehrwürdigen Industriekomplexe befindet. Dem der Buckau besucht wird das freilich wenig helfen um die „Kunstkantine“, so der Name des sagenumwogensten Tanzdomizils der Landeshauptstadt, zu finden. Geschlossene und größtenteils sich selbst überlassene Fabriken gibt es dort im Überfluss. Das Fehlen von Hinweisschildern macht es schließlich „Nichtswissern“ fast unmöglich zufällig auf die Location zu stoßen. Lediglich ein kleines Banner über dem unscheinbaren Eingang im Hinterhof macht auf den Klub aufmerksam. Das sich Versteckten gehört zum Konzept und verspricht eine gewisse Exklusivität, welche durch die, in den Szenebars und Plattenläden der Stadt erhältlichen und notwendigen, Eventeinladungen unterstrichen wird.


„Die Spiele können beginnen!“ - Ein Feuerwerk eröffnete das Tanzfest

Als ich kurz vor dreiundzwanzig Uhr die Lokalität erreichte, war ich doch etwas von dem vermeintlichen Andrang überrascht. Teile des Stadtviertels waren abgesperrt und die angrenzenden Straßen von Menschenmassen gefüllt. Die Ursache für diesen Trubel war die Eröffnungsveranstaltung des diese Woche stattfindenden internationalen Puppentheaterfestivals „La Notte“, dessen Hauptbühne sich – wie könnte es anders sein – auf einem direkt angrenzenden ehemaligen Fabrikgelände befand. Kurz beobachtete ich das Treiben der Mimen als Zaungast, dann widmete ich mich der „Inspektion“ des Inneren der Kunstkantine. Über eine Treppe gelangte ich hinunter in die künstlerisch gestalteten katakomben-artig verwinkelten Räumlichkeiten. Für faire vier Euro und gegen Vorlage meines Personalausweises (Jugendschutz wird offensichtlich groß geschrieben) erhielt ich Eintritt.

Links vom Kassenbereich befindet sich der Tanzsaal. Geradeaus geht es zu den zwei kleinen mit Sitzmöglichkeiten versehenen Barbereichen. Einer für Cocktails und Longdrinks, der andere für Flüssiges aus Flaschen, beide mit sehr fairen Preisen. Mit einem Colabier ausgestattet machte ich es mir im Floor bequem (auch hier mangelt es nicht an Ruhezonen) und ließ die Atmosphäre auf mich wirken. Irgendwie passend spielte der DJ - als hätte er geahnt, dass jemand seinen ersten Eindruck verarbeiten möchte - just in diesem Moment „Wir sind die Anderen“ von 2raumwohnung. Mit einem Lächeln schaute ich in Richtung DJ-Pult. In leuchtend roten Lettern prophezeit der Slogan „Buckau Rock“ was mir bevorstehen sollte. Noch war ich abgesehen vom DJ allein im Floor und so bietete sich mir die Möglichkeit auch die kleinsten Details des sehr gelungenen und stimmigen Dekokonzepts zu bestaunen.

An der Decke formen Wellbleche Bögen. Die darunter verlaufenden zahlreichen Versorgungsleitungen, die Stützsäulen und die alten Wandfließen der Firma „W. Paul und Miller“ zeugen von der industriellen Vergangenheit. Die ungefliesten Teile der Wände sind überwiegend in Rot gehalten und werden von abstrakten Formen im industriellen Design, indirekter roter Beleuchtung und den überall entlanglaufenden alten Versorgungsleitungen aufgelockert. Gegenüber vom DJ-Pult weist der Schriftzug „Kunstkantine.com“ die Gäste auf die Homepage hin. Darunter ist auf Floorbreite eine erhöhte Sitzbank installiert. Links laden zusätzlich zwei logenartige Chilloutflächen zum Entspannen ein. Das gesamte Lichtkonzept ist dezent gehalten und wird von einigen mittelgroßen und kleinen Diskokugeln dominiert.

Langsam füllte sich der Floor. Ich für meinen Teil unternahm etwas vor zwölf einen kurzen Abstecher vor die Kantinentür, um das Entzünden der Pyrotechnik des angrenzenden Festivals zu beobachten. Kaum hatte ich es mir draußen im Hof bequem gemacht, startete das von klassischer Musik begleitete Feuerwerk. Neben mir entzündete eine Gruppe ihr eigenes Feuerwerk aus Wunderkerzen und stimmte „Happy Birthday“ an. Mit Sekt wurde das neue Lebensjahr begossen und ich freute mich für das Geburtstagskind über die sicher angenehme Feier. Mit Freunden in einer schönen Location tanzen und dazu in unmittelbarer Nähe ein richtiges Feuerwerk am nächtlichen Himmel Buckaus. Zum Ende des himmlischen Farbenspektakels verkündete jemand auf der anderen Seite des Zauns: „Hiermit sind die Spiele eröffnet“. Ich nahm es wörtlich und begab mich zurück in das nun stark gefüllte Varieté bei dem die Besucher die Mimen sind.

Während meiner Abwesenheit hatte sich der Floor bis an die Kapazitätsgrenze gefüllt. Ich schlängelte mich durch die, aus Platzmangel und noch vorhandener Schüchternheit, eher verhalten Tanzenden in deren Mitte. Lauschte der und wippte im Takt zur Musik und musste an etwas schmunzelnd an den Vergleich meines Bruders mit einer Pinguinkolonie bei einer anderswo ähnlich gefüllte Veranstaltung denken:
Pinguine stehen dicht beisammen, um schützend die Wärme des Nachbarn zu nutzen. Dieser Vorteil geht selbstverständlich zu Lasten der individuellen Bewegungsfreiheit. Vorrankommen geht nur im Takt des Kollektivs, was eine besondere Verbundenheit unter den Kolonisten hervorrufen kann, aber auch nötig macht. Da der „Wärmevorteil“ im sommerlichen Deutschland oppositiv zu betrachten ist, ist das was neudeutsch „Vibes“ genannt wird ausschlaggebend für Gedeih und Verderben einer übermäßig gefüllten Tanzveranstaltung.

An diesem Abend war auf alle Fälle genügend „Vibes“ vorhanden, was nicht zuletzt an der Leistung der für die Unterhaltung sorgenden Artists gelegen haben dürfte. Die DJs präsentierten den am Pult angekündigten „Buckau Rock“: Eine Reise quer durch die Spielarten elektronischer Musik. Mal minimalistisch, mal electroid, mal housig und funky, auch popiges zum Mitsingen (MIA.), ab und zu technoid und verfrickelt und kurzzeitig sogar etwas schranzig. Beachtenswert war, dass dabei nie der Bezug zum Publikum verloren ging. Sanft wurde immer im passenden Moment von einer Welt in die Nächste gefadet. Der umfassende Reigen kam deshalb nie zum Stillstand. Vielmehr wurden die trickreichen Inszenierungen der Fades stetig von euphorischen Schreien der im Gleichtakt tanzenden Pinguinschar honoriert. Die freigesetzte kollektiv-energetische Euphorie ließ mich den Umstand massig freigesetzter Wärmeenergie verdrängen. Diese verwandelte sich in Verbindung mit dem Pumpen der Bässe in gefühltes Serotonin. Meine Mundwinkel strebten empor, tiefe Freudengrübchen zierten meine Wangen. Mein Herz begann zu rasen. Im Rhythmus pumpte mein Herz den Lebenssaft in Richtung der Tanzorgane. Im Takt sendeten meine Synapsen elektrische Impulse. „Vibes“ – Schwingungen – Tanz!

Als ich mich gegen halb sechs auf den Heimweg machte, war der Reigen noch im vollen Gange und der Floor war noch sehr gut gefüllt. Ich denke für viele der Pinguine ging das Spektakel noch eine ganze Weile weiter. Ein fulminanter Ausklang vor der Sommerpause!

Für die musikalische Schallplattenunterhaltung sorgten Tacman, Just Etienne, DJ Tork und Lorenz Krach. Zusätzlich begeisterten zur Primetime Click mit einem abwechslungsreichen Liveauftritt.

Vielen Dank für die Partynacht an die Organisatoren, die Artists und die zahlreichen musikalisch aufgeschlossenen Tanzwütigen. Nicht nur das Können der DJs, auch die ausgesprochene Toleranz des Publikums, in Bezug auf Musikstil und den unvermeidlichen Körperkontakt im Reigen, hat zum Erfolg beigetragen. So freue ich mich auf die nächste Wintersaison - ich komme bestimmt wieder.


Infos:
www.kunstkantine.com


Die zur Illustration verwendeten Bilder wurden freundlicherweise vom Zeitfixierer bereitgestellt.

Weitere Fotos: http://www.flickr.com/photos/_timl/sets/72157600333669715/

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